Ines Aubert führt seit 18 Jahren Brieffreundschaften mit zum Tod verurteilten Amerikanern und ist Gründerin des Projekts connectdeathrow. Dank ihr erhielten zwei Konfirmationsklassen die Möglichkeit, Briefe mit Gefangenen im Todestrakt auszutauschen.
«Ist das die Grösse einer Gefängniszelle?», entfährt es einer Schülerin fassungslos, als sie den Konfirmationsunterricht betritt. Auf dem Fussboden sind mit Klebeband die Umrisse einer Zelle in einem amerikanischen Todestrakt markiert. Der Blick der Schülerin wandert zur massstabgetreuen Modellzelle, die auf einem Pult aufgebaut ist. «Da bleibt ja noch nicht einmal Platz für einen Stuhl.»
Die reformierten Pfarrer Andreas Fischer aus Kaiseraugst und Leszek Ruszkowski aus Rheinfelden haben am Dienstagabend Ines Aubert nach Rheinfelden eingeladen. Sie führt seit 18 Jahren Brieffreundschaften mit zum Tod verurteilten Amerikanern und ist Gründerin des Projekts connectdeathrow, das Studierenden, Schul- und Konfirmationsklassen Briefwechsel mit einem Gefangenen im Todestrakt ermöglicht.
«Briefe bringen Farbe und Leben in ihre Welt»
Aus Ruszkowskis Klasse haben bereits viele mit einem Brief begonnen, abgeschickt hat ihn erst Jelena (15): «Ich habe einfach geschrieben, was mir durch den Kopf ging. Von den anstehenden Prüfungen, von meiner Leidenschaft fürs Reiten.» Den anderen standen bisher vor allem ihre vielen Gedanken im Weg. Denn wie soll ein Brief an einen Menschen im Todestrakt aussehen, der weder aufdringlich, noch langweilig ist?
Auberts Antwort ist simpel: «Jeder Brief ist spannend. Er bringt Farbe und Leben in deren Welt.» Denn die Gefangenen leben in völliger Isolation, ohne Internet, meist ohne Fernseher, umgeben von schmutzigen, grauweissen Betonwänden, gekleidet in unifarbene Gefängnisgewänder, ohne Beschäftigung, Austauschmöglichkeit und Reize in ihren sechs Quadratmeter grossen Zellen.
Verschiedene Seiten der Häftlinge kennenlernen
Der Briefkontakt ist auf je drei Briefe limitiert, es werden weder verstörende, noch anzügliche Inhalte toleriert und die Kontakte erfolgen anonym. Aubert nimmt die Briefe selbst in Empfang, überfliegt sie und leitet sie an die Empfänger weiter. «Bei diesem Projekt sind die Gefangenen am Geben, indem sie den Jugendlichen ihre Fragen beantworten», so Aubert.
Die Gespräche drehen sich um Fussball, Autos, Hausaufgaben oder den Gefängnisalltag. Schuld, Reue oder der Hinrichtungstermin werden in der Regel aussen vorgelassen. Dies seien Themen für langjährige Brieffreundschaften, die ab 18 Jahren über den Verein lifespark aufgenommen werden können, sagt Aubert.
Obwohl der Austausch nur kurz ist, lernen die Jugendlichen, dass auch Menschen im Todestrakt verschiedene Seiten haben. Sie können humorvoll oder nachdenklich sein, sie halten spannende Geschichten bereit, erzählen, wie sie die Zeit im Gefängnis erleben, welchen Hobbies sie früher nachgingen, oder woran sie Freude finden.
Entwicklung endet im Todestrakt
Die meisten Gefangenen hätten tatsächlich begangen, wofür sie angeklagt sind. «Ich heisse ihre Taten in keiner Weise gut. Den Menschen auf ein Verbrechen zu reduzieren, halte ich aber für falsch. Genauso falsch, wie einen Menschen in seiner Zelle komplett alleine zu lassen.»
Aubert schildert eindrücklich, wie einschneidend es für die Menschen im Todestrakt ist, 23 Stunden am Tag isoliert in seiner kargen, beengenden Zelle zu verbringen. Der Todestrakt bedeutet für fast alle das Ende der persönlichen Entwicklung. Denn wie soll diese stattfinden, wenn kein Austausch zu Mitmenschen besteht?
Die Themen Todesstrafe, Isolation und Menschenrechte gepaart mit Auberts Informationen und Anschauungsmaterialien zum Leben in der Todesszelle, sind harte Kost. Das ist sich auch Leszek Ruszkowski bewusst: «Die Auseinandersetzung mit der Todesstrafe und den Bedingungen im Todestrakt wühlt auf. Wenn euch das weiter beschäftigt, sprecht eure Eltern an, sprecht mich an», so Ruszkowski. «Was sich im Todestrakt abspielt, ist entsetzlich. Und es ist in meinen Augen ein krasses Beispiel davon, dass der Mensch seine Kompetenzen manchmal überschreitet.»
Source: aargauerzeitung.ch, Senata Wagner, September 9, 2019
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